In den letzten Jahren konzentrierte sich die Politik auf die wahrscheinlichsten Einsatzszenarien der Armee. Im Rahmen eines Diskussionsabends zum Thema Verteidigungsfähigkeit haben knapp 20 Schaffhauser Offiziere den Blickwinkel geöffnet und mögliche Auswirkungen sowie Lösungsansätze für die gefährlichste Variante erarbeitet und den Einbezug der Bevölkerung, der Wirtschaft, des Bevölkerungsschutzes und der Gesundheitsversorgung diskutiert.
Verteidigung geht uns alle an. Dies gilt nicht erst, seit der Chef der Armee, Korpskommandant Thomas Süssli, die Verteidigungsfähigkeit der Schweizer Armee in den Fokus gerückt hat. Nur wurde diesem essenziellen Auftrag der Armee in den letzten Jahren zu wenig Beachtung geschenkt. Erst mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine wurde ein Umdenken eingeleitet – Sicherheit ist nicht mehr selbstverständlich. Hinsichtlich der weiteren sich entwickelnden und drohenden Krisenherde zeigt die Tendenz zudem eher in Richtung einer Eskalation, denn einer Deeskalation. Auf nationaler Ebene wurde das Problem nicht nur erkannt, sondern auch laut ausgesprochen. Wie aber sieht die Krisenbewältigungsfähigkeit auf kantonaler Ebene aus? Als in Schaffhausen verankerte Gemeinschaft von Offizieren, hat sich die Kantonale Offiziersgesellschaft (KOG) Schaffhausen im Rahmen eines Diskussionsabends genau diese Frage gestellt.
Vielschichtige Verankerung im Kanton
Eingeleitet wurde die Diskussionsrunde mit einem Inputreferat von Oberstleutnant im Generalstab Rico Randegger mit dem Titel «Gesamtverteidigung». Anschaulich präsentierte er die Entwicklung seit 1969, als noch von einer Landesverteidigung gesprochen wurde. Nur schon das Wording manifestiert den Sicherheitsgedanken, denn ab 2010 wurde für dieselbe Thematik das Wort Sicherheitspolitik verwendet. «Wir befinden uns heute in einer Zeitenwende, was nun?», fragte der Generalstabsoffizier die 17 anwesenden Schaffhauser Offiziere. In Gruppen, moderiert von Vorstandsmitgliedern der KOG Schaffhausen, wurden die Themen Resilienz der Bevölkerung, die Durchhaltefähigkeit der Armee und Wirtschaft, der Bevölkerungsschutz und die Gesundheitsversorgung diskutiert und mögliche Ansätze erarbeitet. Dabei hat sich die Verankerung der anwesenden Offiziere in der Schaffhauser Gemeinschaft genauso als hilfreich erwiesen wie die unterschiedlichen Erfahrungen aus dem militärischen wie auch dem beruflichen Umfeld.
Gutes soziales Netzwerk gegen Fakenews
Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer über die Notwendigkeit eines persönlichen Notvorrates. Dies gelte jedoch nicht nur für die Einwohner des Kantons. Konzeptuell müsse grösser gedacht werden, war der Tenor. Denn auch in länger andauernden Krisenzeiten muss die Bevölkerung mit Nahrung versorgt werden können. Entsprechend müssten gewisse Betriebe, wie zum Beispiel Bäckereien, Pflichtlager anlegen. Ebenfalls wurde das Thema Plünderungen als Konsequenz der knappen Verfügbarkeit von Vorräten angesprochen. Auch solche Szenarien müssten auf kantonaler Ebene zumindest konzeptionell durchdacht, wenn nicht sogar trainiert werden, wurde zusammengefasst. Vor allem bei länger anhaltenden Krisen oder gar Kriegen spielt die Kommunikation eine wichtige Rolle, um die Motivation und die Moral aufrecht zu erhalten. Denn Kriege werden heutzutage zu einem grossen Teil auch im Informationsraum geführt. Vertrauenswürdige Quellen und Kanäle müssten installiert werden, um gegnerischen Informationsoperationen entgegenwirken zu können. Als beste Prävention kristallisierte sich in der Diskussion ein funktionierendes soziales Netzwerk sowie glaubwürdige Identifikationsfiguren auf kantonaler Ebene heraus. Die Bevölkerung sollte diesbezüglich bei der Wahl der politischen Vertreter auch solche Aspekte und die Fähigkeit mit Krisen umzugehen, mit einbeziehen, wurde als Konsequenz herausgestrichen.
Autarke Grundversorgung als Basis
Allgemein müsse die autarke Verfügbarkeit notwendiger Güter von der Politik gefördert werden. Dazu gehört die Munitionsproduktion genauso wie Medikamente. Dies könne auch aus wirtschaftlicher Sicht für die Schweiz interessant werden, wenn die richtigen Anreize gesetzt und die Voraussetzungen für den Export geschaffen würden. Dadurch entstünde eine für die Schweiz in jeglicher Hinsicht symbiotische Beziehung zur Wirtschaft.
Nebst der Idee von einer Wiedereinführung von kantonalen Truppen waren auch die Fachkräfte im medizinischen Bereich ein Thema. Denn aktuell ist in medizinischen Berufen eine hohe Fluktuation zu beobachten. Das Ziel müsse sein, dass auch in Krisenzeiten ausgebildetes medizinisches Personal in genügender Anzahl vorhanden wäre. Um dies gewährleisten zu können, wurden verschiedene Möglichkeiten diskutiert. Dazwischen kam auch die Frage auf, ob sich die Bevölkerung überhaupt bewusst sei, wie in einem Alarmfall zu reagieren ist – und, hört die jüngere Generation überhaupt noch Radio? Neue, der Zeit angepasste Informationskanäle müssten daher etabliert werden. Vielleicht sei es auch gar keine dumme Idee, einen Alarmfall vom Ertönen der Sirene bis zum Bezug eines Schutzraumes unter Einbezug der Bevölkerung einmal zu proben und daraus Lehren zu ziehen.
Ideen und Lösungsansätze wurden während des rund zweistündigen Anlasses viele diskutiert und niedergeschrieben. Der Vorstand der KOG Schaffhausen wird sich nun den Inputs annehmen und daraus mögliche Konsequenzen ableiten und diese den Verantwortlichen auf kantonaler Ebene als Ideeninput zugänglich machen. Damit tragen die KOG und mit ihr die Schaffhauser Offiziere ihren Teil dazu bei, die Sicherheit der Schaffhauser Bevölkerung auch im Krisenfall bestmöglich gewährleisten zu können, indem sie nämlich nicht nur für den wahrscheinlichsten Fall Gedankenanstösse liefern, sondern auch das gefährlichste Szenario thematisieren.